

Wintergedichte
Der erste Schnee
Wenn die ersten Flocken fallen Nieder von dem Himmel leis’, Breitend über Wald und Felder Eine Decke silberweiß – Glänzen alle Kinderaugen, Denn nun ist der Winter da; Und sie wissen’s wohl, die Kleinen, Dann ist’s Christkindlein auch nah’.
Christkind mit den schönen Gaben Und dem hellen Weihnachtsbaum, Den sie seit dem letzten Feste Oft geseh’n in süßem Traum.
Wir, die Alten, Klugen, denken Jagend an die Winterzeit — Kinder singen Weihnachtslieder, Wissen nichts von Sorg’ und Leid.
Und ich will's euch nur gestehen, Auch ich freu’ mich wie ein Kind, Da ich schon so manchen Streifen Schnee auf meinem Haupte find’,
Zwar der Schnee bringt nur den Winter, Doch ich bang und zage nicht, Schau dahinter schon im Geiste Ein hellstrahlend Weihnachtslicht;
Höre leise schon erklingen Weihnachtsglocken wunderbar, Die zum schönsten Fest mich rufen Und zum sel’gen neuen Jahr.
Julie Katharina von Hausmann (1826–1901)
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen, Still erleuchtet jedes Haus, Sinnend geh’ ich durch die Gassen, Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen Buntes Spielzeug fromm geschmückt, Tausend Kindlein stehn und schauen, Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern Bis hinaus ins freie Feld, Hehres Glänzen, heil’ges Schauern! Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen, Aus des Schneees Einsamkeit Steigt’s wie wunderbares Singen – O du gnadenreiche Zeit!
Joseph von Eichendorff (1788–1857)