LIEDSCHÄTZE

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„Macht hoch die Tür“


Ursprünglich war es nicht als Adventslied geschrieben worden. Seinen Siegeszug trat es kurz nach dem Tod des Dichters vor 300 Jahren an. Noch heute ist „Macht hoch die Tür“ eines der bekanntesten Adventslieder. IDEA-Redakteur David Wengenroth erzählt seine Geschichte.

Der 2. Advent des Jahres 1623 war ein besonderer Tag für die lutherischen Christen im Königsberger Stadtteil Roßgarten. An diesem Tag wurde feierlich ihre neugebaute Altroßgärter Kirche eingeweiht. Ihr angehender Pfarrer Georg Weissel, damals 33 Jahre alt, hatte eigens zu diesem Anlass ein Lied gedichtet. Seine Grundlage war der Jubelruf aus Psalm 24: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch ...“. Heute ist „Macht hoch die Tür“ eines der beliebtesten Adventslieder der Welt und steht im Evangelischen Gesangbuch an Nummer 1 – allerdings mit einer anderen Melodie als bei seiner Uraufführung. Aber dazu später.

Preußen wird evangelisch

Zu dieser Zeit war das Herzogtum Preußen mit seiner Hauptstadt Königsberg ein blühendes kleines Land. Herzog Albrecht I. hatte bereits 1525 in Preußen als erstes Land Europas die Reformation eingeführt. In den folgenden Jahren kamen evangelische Flüchtlinge aus katholischen Territorien. Mit ihrer Hilfe wurde die 1544 gegründete Universität Königsberg zu einem herausragenden geistigen Zentrum. Zudem fiel das Herzogtum Preußen 1618 durch Erbschaft an die Brandenburger Kurfürsten. Das erwies sich als außerordentlicher Glücksfall. Die Brandenburger verstanden es durch geschickte Vertragspolitik, ihr Land aus dem verheerenden 30-jährigen Krieg (1618–1648) herauszuhalten.

Theologe, Lehrer, Pfarrer

Der Pfarrer und Liederdichter Georg Weissel führte jedenfalls ein friedliches und beschauliches Leben. Geboren wurde er 1590 in dem südlich von Königsberg gelegenen Städtchen Domnau als Sohn eines Richters, der später zum Bürgermeister aufstieg. Mit elf Jahren kam Weissel nach Königsberg, wo er zunächst die Schule und später die Universität besuchte. Der Wohlstand seines Vaters erlaubte ihm, als Theologiestudent drei Jahre lang eine ausgedehnte Reise zu machen, die ihn nach Wittenberg, Leipzig, Jena, Marburg und Straßburg führte. Danach arbeitete er als Lehrer, bevor er 1623 den Dienst als Pfarrer an der Altroßgärter Kirche antrat.

Schon in seiner Schulzeit lernte Weissel als Chorsänger den Königsberger Hofkapellmeister Johannes Eccard (1553–1611) kennen, der als führender geistlicher Liederdichter und -komponist seiner Zeit galt. Von ihm stammen die Melodie zum Tauflied „Ach lieber Herre Jesu Christ“ und der Text des Abendliedes „Mein schönste Zier und Kleinod“. Weissel selbst wurde später Mitglied des bekannten Königsberger Dichterkreises und bereits zu Lebzeiten ein angesehener Liederdichter. Neben „Macht hoch die Tür“ hat vor allem sein Lied „Such, wer da will, ein ander Ziel“ die Zeit überdauert, dass er ebenfalls 1623 schrieb.

Auch in Weissels Leben gab es Sorgen und Schicksalsschläge. So blieb Königsberg zwar vom Krieg verschont, aber nicht von der Pest. Sie wütete immer wieder in der Stadt und forderte allein im Jahr 1620 nach Schätzungen bis zu 15.000 Todesopfer. Weissels Tochter, die als einziges Kind aus seiner 1624 geschlossenen Ehe hervorging, starb bereits als Kind. Weissel selbst starb 1635 im Alter von 45 Jahren.

Siegeszug nach Weissels Tod

Knapp 70 Jahre nach seinem Tod begann der eigentliche Siegeszug seines Adventschorals. 1704 nahm der Theologe, Liederdichter und -sammler Johann Anastasius Freylinghausen – nebenbei: Er war der Schwiegersohn des berühmten Theologen und Pädagogen August Hermann Francke – das Lied in die erste Ausgabe seines „Geistreichen Gesangbuchs“ auf und stellte eine andere Melodie dazu. Von wem sie stammt, ist unbekannt. Aber sie verdrängte die ursprüngliche Vertonung schnell. Mit ihr wurde das Adventslied auch außerhalb Deutschlands bekannt. Im 19. Jahrhundert entstanden Übersetzungen ins Englische und Dänische.

Die Altroßgärter Kirche wurde 1945 bei der Eroberung Königsbergs durch die Rote Armee zerstört. Aber das Lied, das zu ihrer Einweihung geschrieben wurde, erklingt bis heute im Advent in unzähligen evangelischen und katholischen Kirchen – und erinnert Christen daran, dass Jesus Christus als Kind in diese Welt kam, damit sie ihn freudig in ihr Herz einziehen lassen. •

Liedtext

Macht hoch die Tür’, die Tor’ macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich’; ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Segen mit sich bringt; derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.

Er ist gerecht, ein Helfer wert, Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron’ ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit; all uns’re Not zum End’ er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland groß von Tat.

O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat! Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein! Er ist die rechte Freudensonn’, bringt mit sich lauter Freud’ und Wonn’. Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat.

Macht hoch die Tür’, die Tor’ macht weit, eu’r Herz zum Tempel zubereit’t. Die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud’; so kommt der König auch zu euch, ja Heil und Leben mit zugleich. Gelobet sei mein Gott, voll Rat, voll Tat, voll Gnad’,

Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.

Text: Georg Weissel (1590–1635) 
Melodie: Johann Anastasius Freylinghausen (1670-1739), Halle 1704

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IDEA SPEZIAL Advent & Weihnachten 2021

IDEA SPEZIAL Advent & Weihnachten 2021

2021-11-24

EDITORIAL

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THEOLOGIE

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LIEDSCHÄTZE

Cover

l „Macht hoch die Tür“

Ursprünglich war es nicht als Adventslied geschrieben worden. Seinen Siegeszug trat es kurz nach dem Tod des Dichters vor 300 Jahren an. Noch heute ist „Macht hoch die Tür“ eines der bekanntesten Adventslieder. IDEA-Redakteur David Wengenroth erzählt seine Geschichte.

HANDWERK

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