

Eine unvorteilhafte Frisur und andere Probleme
„Gute, wahre Geschichten öffnen mein Herz für Gott“, findet Judith Fockner. Jetzt hat die Theologin und Religionspädagogin ein Buch mit 37 wahren und ermutigenden Geschichten veröffentlicht. Ein Buchauszug.

„Das kommt davon, dass du jahrelang nicht beim Friseur warst“, sagt mein Mann sachlich. Ich wäre jetzt auch gern sachlich. Ich stehe vor dem Spiegel und zupfe höchst unzufrieden an meinen Haaren. Je länger ich versuche, etwas zu verbessern, desto größer wird mein Frust. Eine unvorteilhafte Frisur würde mich normalerweise nicht aus der Fassung bringen. Aber in zwei Tagen soll ich vor der Kamera eine Reihe Sendungen aufnehmen. Und dazu brauche ich Haare, die problemlos liegen und mich nicht ablenken …
Am Abend bekam ich einen Anruf von einer Freundin. Sie erzählte mir, dass ihre Tochter massive Schulprobleme hat. Die 14-Jährige war kurz davor aufzugeben. Während ich darüber nachdachte, was ich sagen könnte, um ihr Mut zu machen, sah ich mein Spiegelbild im Fenster – und meine Frisur machte mir gar nichts aus. Ich war aus meiner kleinen Welt herausgetreten und hatte mich einem anderen Menschen zugewandt.
Das Loslassen einer übermäßigen Selbstaufmerksamkeit, um etwas ergreifen zu können, das über das eigene Selbst hinausgeht, nennt man „Dereflexion“. Kurz darauf las ich eine Zeitungsmeldung über eine junge New Yorkerin, die Dereflexion offenkundig meisterhaft beherrschte. Die junge Frau hatte ihre Hochzeit vollständig geplant, als ihr Zukünftiger sie mit einem Ehevertrag überraschte, den sie nicht akzeptieren konnte. Die darauffolgenden Uneinigkeiten ließen sie die Verlobung lösen. Zu ihrem Schmerz kam die Nachricht, dass ihr die angezahlten 8.000 Dollar Miete für den Hochzeitssaal nicht zurückerstattet wurden. Ich hätte an ihrer Stelle gedacht: „Mein Traum ist geplatzt – nun verliere ich auch noch eine große Geldsumme. Wie konnte mir das passieren?“ Die junge New Yorkerin dagegen widmete sich wenig später einem anderen Plan: Sie lud statt der ursprünglichen Hochzeitsgäste 60 Kinder und Mütter aus sozial schwachen Verhältnissen ein, diesen Tag im Luxushotel zu verbringen. Es gab Luftballons, Eiscreme und kleine Geschenke für alle. Außerdem feierte die Braut in ihrem weißen Kleid mit. Sie sagte: „Wenn ich heute schon nicht die Braut-Prinzessin sein kann, die ich sein wollte, sollen sich wenigstens die Kinder wie im Märchen fühlen.“ Und sie fügte hinzu: „Anfangs war ich sehr frustriert. Heute bin ich glücklich. Ich glaube, Gott hat das so geführt.“
Bewundernswert! Ich denke nicht, dass es so einfach war, wie es sich liest. Ich glaube aber auch, dass die Idee von der Party ein Gottesgeschenk war. Gott wusste, dass das Glück der Kinder die junge Frau rettet. Genauso wie mich die Schulprobleme eines 14-jährigen Teenagers von meinen lächerlichen Haarproblemen weggelockt haben.
Steckst Du auch gerade fest und kommst nicht aus dem Grübeln? Bitte Gott um eine Ablenkung. Ich bin sicher, er findet etwas, das Dir wieder Sinn gibt und Dich überrascht.
© FOTO(S) ADVENT-VERLAG