

„Probleme sind nicht kleiner geworden, sondern Gott größer“
Wie man mit Sorgen umgeht, und warum man Zweifel nicht unterdrücken muss: ein Interview mit Prof. Hans-Joachim Eckstein. Das Gespräch führte Astrid Hadem.
IDEA: Ihr neues Buch heißt „Sorge dich nicht, vertraue“ – das klingt erst einmal einfach.
Eckstein: Angesichts drohender Gefahren für uns und nahestehende Menschen erscheint uns die Ermunterung vielleicht als weltfremd und wirklichkeitsfern. Selbstverständlich machen wir uns in bedrohlichen Situationen Sorgen und empfinden Angst. Indem Jesus zum Vertrauen statt zum Sorgen auffordert, setzt er voraus, dass Grund zur menschlichen Sorge besteht und die Furcht um Leib und Leben natürlich ist.
Hat das Sorgen nicht auch sinnvolle Aspekte? Gibt es nicht auch eine unreife Arglosigkeit?
Die Einladung Jesu zum Vertrauen in Matthäus 6,25–34, ist gewiss keine Rechtfertigung einer unvernünftigen „Sorglosigkeit“ und unbegründeten Vertrauensseligkeit. Eine verantwortliche und weitsichtige „Vorsorge“ ist nicht nur erlaubt, sondern geboten. Wir sollen unser Haus auf Fels und nicht auf Sand bauen (Mt. 7,24–27). Wir sollen unser Leben von den wirklich bleibenden Werten her planen und gestalten (Mt. 6,33).
Vor allem ist das Evangelium von dem Motiv der „Fürsorge“ bestimmt. Was von Jesus Christus, seinem Wirken und Leben berichtet wird, zeugt von einer so entschiedenen wie liebevollen Fürsorglichkeit für die ihm anvertrauten Menschen. Aber wenn wir von unseren eigenen Sorgen aufgerieben werden und nicht mehr klar denken können, wenn uns die Sorgen den Schlaf rauben und wir nur noch grübeln, bringt uns das in keiner Weise den Lösungen näher. Dann werden wir nicht von Vorsorge und Fürsorge bestimmt, sondern denken, reden und handeln panisch. Es fehlen uns Umsicht und Ruhe, um zielführend und lösungsorientiert zu handeln.
Was mich loslassen lässt, bevor ich ergreife, und mich hoffen lässt, bevor ich sehe, ist das Vertrauen.
Aber wie können wir sorgenvolle Gedanken in schwierigen Zeiten durch eigene Entscheidung überwinden?
Es fällt uns schwer, uns bei Zweifeln und Ängsten selbst zum Glauben zu zwingen und zum Vertrauen zu nötigen. Gerade in Krisen erleben wir uns eher als ausgeliefert und fremdbestimmt. Der drohende Kontrollverlust erinnert uns aber
an ein Geheimnis des menschlichen Lebens –die Unverfügbarkeit.
Unser Leben gründet nicht in unserem eigenen Vermögen und Verhalten, es wird uns geschenkt. Alles was wir sind, das sind wir durch Beziehung und Zuwendung. Wir haben uns weder selbst gezeugt noch geboren. Wir verdanken es anderen, dass wir uns entwickeln und entfalten konnten. Auch unser Vertrauen und unsere Fähigkeit, loszulassen und abzugeben, erlernen wir bei denen, die uns fürsorglich fördern. Zuversicht wird uns durch Zuwendung zugesprochen, und Vertrauen wird in uns durch vertrauenswürdige Liebe erweckt.
Ist das „Sich-Sorgen“ dann auch eine geistliche Anfechtung, an der wir letztlich im Glauben wachsen können?
Die Zuwendung Gottes zu uns ist die grundlegende und tragende Beziehung, die auch denen uneingeschränkt gilt, die von Menschen enttäuscht und durch ihre Lebenserfahrung verunsichert werden. Die geistliche Aufgabe besteht nun nicht etwa im Unterdrücken der Sorgen und im Verdrängen der Zweifel. Vielmehr wachsen wir im Glauben durch die Flucht und Hinwendung zu unserem himmlischen Vater, dem Jesus selbst in allen Anfechtungen vertraut hat. Jesus vertreibt die Sorge nicht durch die Verharmlosung der Gefahren, sondern im Hinblick auf die uns tragende Beziehung zu Gott selbst: Wir sind für Gott kostbar, und er sorgt für uns (Mt. 6,26/30/32).
Hand aufs Herz: Machen Sie sich manches Mal Sorgen – und wenn ja: Wie gehen Sie damit um?
Als junger Christ dachte ich tatsächlich, dass die Schwierigkeiten durch den Glauben abnehmen würden. Die Probleme sind aber nicht kleiner geworden, sondern Gott ist mir größer geworden. Im Lauf unseres Lebens gibt es immer wieder neue Anlässe, bedrohliche Veränderungen und Einschränkungen zu fürchten. Wir lernen viele Herausforderungen zu bewältigen und uns in unserem Glaubensleben zu entfalten, aber unser eigentlicher Fortschritt liegt in der zunehmenden Erkenntnis der grenzenlosen Liebe und Treue Gottes, der wir trauen dürfen. So will ich in allen Nöten dafür sorgen, dass ich meine Sorgen mit dem teile, der wirklich für mich sorgen kann und will.
Der Traum vom leichten Leben
Schwerwiegende Entscheidungen fallen selten in leichten Zeiten, und tiefgehende Veränderungen entstehen nicht durch oberflächliche Erfahrungen.
Bedeutende Entwicklungen werden kaum durch unbedeutende Begegnungen angeregt, und persönliche Hilfe erfahren wir so gut wie nie in unpersönlichen Beziehungen.
Verständnis für die Schwachheit anderer erwächst nicht aus der eigenen Stärke, und wie man andere Menschen tröstet, wissen wir erst, wenn wir nicht nur getrost, sondern auch selbst getröstet sind.
Warum also sehnen wir uns nach einem leichten und unbeschwerten Leben, wenn das, was uns so wertvoll macht, in einem verletzlichen und tiefgründigen, in einem lebendig gelebten Leben liegt?
Der Autor

Prof. Hans-Joachim Eckstein ist ein mehrfach ausgezeichneter Hochschullehrer, Autor und Referent. Vielen ist er durch seine eindrücklichen Vorträge und Predigten sowie durch seine ansprechenden Bücher und Gemeindelieder bekannt. www.ecksteinproduction.com