
Beim Umzug auch die Bausubstanz prüfen
Martin Benz

Der Theologe Martin Benz möchte mit seinem Glauben leidenschaftlich alt werden. Doch was tun, wenn Glaubens- und Lebensrealität immer weiter auseinanderklaffen? Dann muss sich der Glaube weiterentwickeln – muss progressiv werden. Dann braucht es einen Umzug des Glaubens in eine neue Wohnung, die besser zu den aktuellen Bedürfnissen passt. Martin Benz hat selbst einen solchen Prozess hinter sich. Es wurde ihm zu eng in der „Altstadt“ der „kon-servativ-evangelikalen oder fundamentalistischen Denkmuster“. Nun möchte er den Lesern aufzeigen, wie sie ihre Überzeugungen weiterentwickeln können. Zum Beispiel sollte die Bibel weniger als ein Buch der historischen Fakten als vielmehr von „poetischer Wahrheit“ geprägt verstanden werden. Des Weiteren braucht es dringend zeitlose ethische Prinzipien, welche uns helfen, „mutig neue Moral abzuleiten“. Den Bedarf nach neuer Moral bespricht Benz anhand des Themas Homosexualität, wo er für eine „Neuordnung“ plädiert.
Viele Leser werden in diesem Buch neue Ideen finden, die sie möglicherweise als befreiend empfinden. Das liegt sicherlich auch daran, dass eine evangelikal geprägte Basis in vielen Kirchen bisher einigermaßen abgeschirmt gelebt hat von den Konzepten und Auswirkungen der liberalen Theologie, welche hier im postmodernen Gewand schmackhaft gemacht werden. Benz präsentiert sich in der Rolle des Umzugshelfers. Ich selbst werde beim Lesen den Eindruck nicht los, dass er mir vor allem eine möblierte Wohnung vermieten will. Dafür gilt es die Vorzüge der neuen Wohnung anzupreisen und die alte in ungünstigem Licht darzustellen. Doch wer sich auf das Geschäft der Wohnungsvermietung versteht, der weiß: Mit frischer Farbe lässt sich so mancher Mangel verstecken. Ich empfehle eine gründliche Prüfung der Bausubstanz.
Peter Bruderer, Architekt und Theologe