
„Es wird regiert!“

Liebe Leserin, lieber Leser! „Es wird regiert!“ Mit diesem kurzen Satz fasste der bekannte Seelsorger und ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Blumhardt (1842–1919) gegen Ende seines Lebens seine Überzeugung zusammen. Trotz allem Negativen und Bösen, trotz aller Kriege und Plagen, die diese Welt knechten, dürfen wir unseren Blick nach oben richten. Wir dürfen durch alles Vorläufige hindurchschauen und aufschauen zum „Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel von Licht und Finsternis“ (Jakobus 1,17).
Das „Dennoch“ des Glaubens
Doch um das erfassen zu können, angesichts von Kriegen und Kriegsgeschrei, von Corona und sonstigen Krisen, braucht es den Blick des Glaubens. Es braucht „bewährte Sinne“, die nicht im Vorletzten hängenbleiben. Dieser neue Blick jedoch schaltet die Wahrnehmung von Unrecht, Leid und Aporien nicht aus. Er ist keine rosarote Brille, die die scharfen Konturen verschwimmen lässt und ihr mildes Licht über alles legt. Genauso wenig ist er ein ideologischer Filter – sei er politisch oder religiös motiviert –, der nur das sehen lässt, was man sehen will. Die feste Überzeugung, dass Gott trotz allem und über allem und sogar in allem regiert, ist gewonnen aus der Jahrtausende währenden Geschichte des bedrängten Gottesvolkes. Es ist die kollektiv erkämpfte und erlittene Antwort auf die Warum-Frage, die uns immer neu bedrängen will: „Warum geht es den Skrupellosen und Egoisten so gut? Warum scheint doch Gewalt das letzte Wort zu haben?“ In immer neuen Variationen stellen die Psalmbeter diese Frage. Und immer wieder kämpfen sie sich durch zum „Dennoch“ des Glaubens (Psalm 73,23).
Der Blick des Glaubens vertraut darauf, dass der oft verborgene Gott kein abwesender Gott ist.
— Roland Werner
Gott – verborgen, aber nicht abwesend
Und auch auf die tiefste Warum-Frage findet sich in den Psalmen eine Antwort. Sie lautet anders, als wir es in unserer oft weichgespülten, auf Annehmlichkeiten im Diesseits ausgerichteten Religiosität angenehm und annehmbar finden. So heißt es in Psalm 2: „Warum toben die Völker und murren die Nationen so vergeblich? Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten … Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer“ (Psalm 2,1–4). Der Blick des Glaubens vertraut darauf, dass der hier und heute oft verborgene Gott (deus absonditus) kein abwesender Gott ist. Sondern dass trotz allem, was vor Augen ist und Not macht, und verborgen in allem und schließlich nach allem gilt: „Es wird regiert!“ Gott regiert.
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